Ein Schnapsglas voll kalter Suppe

Barcelona. Die Julisonne brennt auf meiner Haut. Ich schlendere die Ramblas hinauf und hinab auf der Suche nach einem Restaurant, in das ich einkehren kann. Ich habe Hunger, aber mein Praktikantengehalt reicht gerade so, um die Miete in dieser teuren Stadt zu bezahlen. Irgendwann finde ich ein Lokal, das Gazpacho anbietet. Ich weiß nicht genau, was das ist. Smartphones sind noch nicht en vogue. Ich kann es also auch nicht googlen. Aber ich sehe, dass ich den Preis bezahlen kann. Also gehe ich hinein, setze mich, bestelle ein Wasser und besagtes Gericht.

Was ich erhalte, ist ein besseres Schnapsglas voll kalter Suppe. Wie ich bereits sagte, ich habe Hunger. Und ich bin den Tränen nahe. Nebenan ist ein Starbucks. Wie gern würde ich mir dort noch einen Iced Frappuccino holen und so eine Tasse, auf der die Sagrada Familia aufgedruckt ist. Oder ein T-Shirt im Hardrock Café. Irgendein Souvenir als Erinnerung an diese Zeit wäre ja ganz schön. Aber ich kann es nunmal nicht bezahlen.

Ein paar Jahre später reist ein Freund von mir nach Barcelona. Ich bitte ihn, mir eine Starbucks-Tasse mitzubringen. Inzwischen habe ich eine Ausbildung gemacht, studiert, bin beruflich erfolgreich, fahre einen Dienstwagen und miete eine bezaubernde Drei-Zimmer-Wohnung in der beliebten Südstadt, direkt am Park. Ich lebe ein Leben im Hipster-Hamsterrad, höher, schneller, weiter, permanent online, immer erreichbar. Das Wort "Pause" habe ich aus meinem Wortschatz gestrichen und aus meinem Leben auch.

Ein paar Jahre später reist ein Freund von mir nach Barcelona. Ich bitte ihn, mir eine Starbucks-Tasse mitzubringen. Inzwischen habe ich eine Ausbildung gemacht, studiert, bin beruflich erfolgreich, fahre einen Dienstwagen und miete eine bezaubernde Drei-Zimmer-Wohnung in der beliebten Südstadt, direkt am Park. Ich lebe ein Leben im Hipster-Hamsterrad, höher, schneller, weiter, permanent online, immer erreichbar. Das Wort "Pause" habe ich aus meinem Wortschatz gestrichen und aus meinem Leben auch.

"This girl is on fire." Das hat schon Alicia Keys gesagt. "Erfolg hat drei Buchstaben: TUN." Das hat schon Goethe gesagt. Ich kann diese Tasse also endlich bezahlen. Und besagter Freund bringt mir eine mit. Er schenkt sie mir sogar.

In meinem Küchenschrank stapeln sich mittlerweile die Starbucks-Tassen aus aller Welt, ich bin viel gereist, sowohl beruflich als auch privat. Und eines wundersamen Tages stelle ich fest, dass mir das überhaupt nicht mehr wichtig ist. Es ist eine Tasse. Gefertigt in China. Mit einem CO2-Fußabdruck, der mir den Magen umdreht.

Es fällt mir also überhaupt nicht schwer, als ich den Entschluss fasse, die Tassen abzugeben. Scheinbar haben sie sogar richtigen Sammlerwert. Aber das ist mir egal. Ich veräußere sie für einen schmalen Kurs und bin froh, dass ich sie los bin.

Warum erzähle ich dir diese Geschichte?

Nun, angenommen, ich wüsste, meine Tage sind gezählt. Ich blicke auf mein Leben zurück. Was würde ich denken? Würde ich so etwas sagen wie "Gut, dass ich so viele Starbucks-Tassen hatte. Gut, dass ich immer so viel gearbeitet habe, damit ich sie mir auch leisten konnte. Was wäre mein Leben nur ohne diese Tassen gewesen?"

Wir wissen beide, du und ich, dass dies mitnichten so sein wird.

Aber was möchte ich stattdessen denken können, wenn ich mein Leben irgendwann einmal Revue passieren lasse - wann auch immer das sein mag?

Heute weiß ich, dass ich vielmehr so etwas sagen können möchte wie: "Gut, dass ich immer getan hab, was mich lebendig macht".

Deswegen sammle ich heute auch keine Tassen mehr. Okay, ich habe immer noch eine kleine Schwäche für alte Porzellantassen mit Goldrand, weil sie so hübsch sind und mich an entschleunigte ostfriesische Teemomente erinnern. Und weil ich glaube, dass dieses antike Geschirr seine eigenen, lebendigen Geschichten mit sich trägt.

Aber was ich heute wirklich sammle ist das, was ich "Lebendigkeiten" nenne. Also Dinge, die mich lebendig machen. Frisch gebrühter Kaffee, das Lachen meines Sohnes, Sugarhill Gang's Apache-Dance von Will Smith und Carlton Banks nachtanzen, barfuß laufen, in Videokonferenzen Milchschnitte essen, "Mr. Brightside" von den Killers hören, einen richtig guten Bio-Weißwein zu richtig guten Gesprächen genießen, zu einem richtig schlechten Witz den Kopf in den Nacken werfen und laut lachen, den Wind auf meiner Haut spüren und natürlich die Malerei.

Ich erzähle dir diese Geschichte also, weil ich möchte, dass du inne hältst. Atme ein, atme aus. Und dann frage dich, was es ist, dass du denken möchtest, wenn du irgendwann mal auf dein Leben zurückblickst. Frage dich, was es ist, das dich lebendig macht.

Wenn wir nämlich tun, was uns lebendig macht, dann tun wir das, wofür wir eigentlich hier sind: Um unser ganz persönliches Potenzial zu entfalten. Daran glaube ich fest. Und ich freue mich, wenn ich andere ebenfalls dazu inspirieren kann.

Falls du gerade Inspiration suchst, schau dir unbedingt mal den oben genannten Apache-Dance an. Du findest ihn hier:

Und wenn du gern hin und wieder Imuplse zum Thema Lebendigsein von mir erhalten möchtest, dann melde dich gern zu meinem Newsletter an.

 
Zurück
Zurück

To Do or not to Do

Weiter
Weiter

Die Alchemie der Farben